Wie kaum ein anderer Fotokünstler beherrscht Sebastian Trägner das Prinzip der ästhetischen Umkehrung:
Aus dem Abseitigen, Banalen, ja vermeintlich Hässlichen schöpft der Kölner eine poetische Schönheit, die zwischen Elegie und Hoffnung schwebt. Genauso, wie er dem offenkundig Inszenatorischen der Mode- und Aktfotografie, die größtenteils auf Makellosigkeit angelegt ist, eine immanente Verletzlichkeit und psychologische Tiefe abtrotzt.
Es ist nicht das Motiv, das der Kölner einfängt; es sind vielmehr die Emotionen und Brüche dahinter, die er sichtbar macht. Dabei spielt er mit den Erwartungen und Assoziationen des Betrachters und unterläuft das Klischee mit einem ästhetischen Gegenentwurf, wo plötzlich neue Regeln von Anmut und Würde vorherrschen.
So inszeniert er soziale Malaisen wie Obdachlosigkeit, Armut und Kleinkriminalität in träumerischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Indem er ihnen das Dokumentarische, Voyeuristische verweigert und stattdessen auf die Mittel der Ästhetisierung setzt, vermag er es umso mehr, die Schattenseiten von Urbanität, Globalisierung und Turbokapitalismus eindringlich aufzuzeigen. Wir sind berührt, betört – und schauen genauer hin, statt womöglich abzublocken und geschockt wegzusehen.
Damit kreiert der Autodidakt eine alternative Magie, ein entgegengesetztes Storytelling, wo notleidenden Menschen und ihrer Umgebung ein Antlitz der Erhabenheit zuteil wird. Indem er jene Menschen und Phänomene, die wir zu übersehen gelernt haben, aus ihrem gängigen Kontext löst und dem Duktus der Kunst anheimgibt, überführt er sie in unsere „Gegenwelt“. Wirft ein neues Narrativ auf. Verankert sie in unserem Bewusstsein. Gibt ihnen eine visuelle Stimme.
Seine Körperstudien führen das Konzept der Augenhöhe zwischen Kunst-Objekt und Kunst-Schöpfer fort; obschon erotisch inszeniert, geht es hier niemals um Entblößung oder Sexualisierung, sondern um die reine, unverstellte Schönheit von Physis und Anatomie. Trägner bannt Linienführungen und Kurvenverläufe des weiblichen Körpers, spielt mit Licht- und Schatteneffekten, streut Accessoires wie Blumen oder Gräser ein und schafft so eine fast abstrahierte Ansicht auf Nacktheit. Die dennoch ungemein sinnlich und berührend ist.
Sebastian Trägners Landschaftsaufnahmen, die auf Reisen durch die USA oder Island entstanden sind, feiern die Weite, Formenvielfalt und Farbpracht irdischer Natur - und entwickeln durch die künstlerische Linse betrachtet einmal mehr das Abbild einer nahezu überirdischen Schönheit.
Sebastian Trägner lebt in Köln und arbeitet auf der ganzen Welt. Er war lange in der Modebranche tätig und avancierte schrittweise zum Fotokünstler. Neben seiner freien künstlerischen Tätigkeit realisiert er auch Fotos- und Modestrecken für Magazine wie Harper’s Bazaar, Vogue Italia u.a. Er war neben Annie Leibovitz und Lina Tesch teilnehmender Künstler an der weltweiten Kampagne von Leica Camera und fotografiert im Auftrag von Kulturinstitutionen wie BMW Gallery, Schauspiel Köln, tanzhaus NRW sowie dem Landesmuseum Darmstadt, wo er die Ausstellung der Peter Lindbergh Foundation fotografisch begleitete. Außerdem ist er seit 2021 Mitglied der deutschen Gesellschaft für Photographie. Seine Werke sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.
Insights, Gruppenausstellung, 30Works-Galerie, Köln