Betrachtung des Gemäldes „Zeitensprung Fernblick”

15.09.2024

Eine Deutung zu Dirk Schmitts Gemälde „Zeitensprung Fernblick”

Dirk Schmitts Ausstellung „Zeitensprünge" in der 30works-Galerie ist eine schöne Veranlassung, sich eines seiner Meisterwerke zu ergreifen und die Gedankenwelt seiner Ausstellung vorzustellen.

Das Ölgemälde „Zeitensprung Fernblick” von Dirk Schmitt zeigt eine elegant gekleidete Frau, die am Strand von Honfleur in der Normandie steht. Sie trägt ein bodenlanges, dunkles Kleid im viktorianischen Stil, das durch seine aufwendigen Spitzenverzierungen und die langen, voluminösen Ärmel auffällt. Auf ihrem Kopf sitzt ein großer, dekorativer Hut, geschmückt mit Federn, der ihren Auftritt stilvoll und klassisch erscheinen lässt. Die Frau hat dem Betrachter den Rücken zugewandt, den Blick in die Ferne gerichtet, was einen Moment der Intimität und vornehmer Zurückhaltung erzeugt.

Im Gegensatz zu ihrer historischen Kleidung hält die Frau in ihrer rechten Hand ein Smartphone, das sie leicht hinter ihrem Rücken verbirgt. Dieser moderne Gegenstand hebt sich auffällig von ihrer Kleidung und der nostalgischen Atmosphäre der Szenerie ab. Der weite Sandstrand, der ruhige Ozean und der blau bewölkte Himmel schaffen ein friedliches und zugleich zeitloses Umfeld. Der Strand von Honfleur, der als Schauplatz dient, ist historisch bedeutsam, da er bereits viele Künstler inspiriert hat – darunter berühmte Maler wie Claude Monet oder Eugène Boudin.

Die Wahl dieses spezifischen Küstenabschnitts ist nicht zufällig: Honfleur ist bekannt für seine Verbindung zur Kunstgeschichte, insbesondere zur Bewegung des Impressionismus. Das Meer ist ruhig, und die Horizontlinie scheint sich endlos in die Ferne zu erstrecken, was eine Atmosphäre der Stille und Kontemplation erzeugt. Der gesamte Bildaufbau – die Frau am Rande der Küste, der unberührte Strand und das sanfte Meer – suggeriert eine meditative Ruhe, während das verdeckt gehaltene Smartphone dem Bild eine subtile Spannung verleiht.

 

Spagat zwischen Tradition und Moderne

Dirk Schmitt verbindet in diesem Werk Vergangenheit und Gegenwart auf eine tiefgründige und fast ironische Weise. Eine Dame steht im Mittelpunkt der Komposition, ihr Auftritt vermittelt Anmut und eine nostalgische Eleganz, die auf das späte 19. Jahrhundert verweist. Das viktorianische Kleid und der aufwendige Hut erinnern an eine Zeit, in der Frauen für ihre stilvolle Erscheinung und gesellschaftliche Zurückhaltung bekannt waren. Doch gerade in dieser stilisierten Darstellung einer vergangenen Epoche überrascht das moderne Detail – das Smartphone, das die Frau in der Hand hält. Dieser Gegenstand stellt einen bewussten Bruch mit der sonst zeitlosen und klassisch wirkenden Szenerie dar.

Das Smartphone symbolisiert die Allgegenwart moderner Technologie und die ständige Erreichbarkeit, die mit dem digitalen Zeitalter einhergeht. Auch in Momenten der Ruhe, wie am Strand von Honfleur, bleibt die Protagonistin durch diesen kleinen, aber bedeutenden Gegenstand mit der hektischen, technologiegetriebenen Welt verbunden. Die Tatsache, dass sie das Smartphone hinter ihrem Rücken versteckt hält, könnte darauf hindeuten, dass sie versucht, sich bewusst eine Auszeit von der modernen Welt zu nehmen – oder dass sie einen Moment der Intimität mit der Vergangenheit sucht, während sie dennoch die Verbindungen zur Gegenwart aufrechterhält.

Dieser Kontrast zwischen der traditionellen Kleidung und dem Smartphone könnte als Metapher für den ständigen Spagat zwischen Tradition und Fortschritt gesehen werden, den viele Menschen heute erleben. Während die Kleidung der Frau und der malerische Strand die Sehnsucht nach Einfachheit und die Wertschätzung für die Vergangenheit symbolisieren, steht das Smartphone für die Komplexität und den Wandel der heutigen Zeit. Es verkörpert die technologische Evolution, die trotz ihrer Fortschritte oft eine gewisse Distanz oder Isolation erzeugen kann.

Honfleur und die Impressionisten

Der Strand von Honfleur, als historischer und künstlerischer Ort, verstärkt diese Interpretation. Im 19. Jahrhundert zog dieser Küstenabschnitt viele Maler an, welche die Schönheit der Landschaft festhalten wollten. Schmitt schlägt hier bewusst eine Brücke zwischen der Kunstgeschichte und der Moderne, indem er zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben, die grundlegenden menschlichen Erfahrungen von Einsamkeit, Besinnung und Sehnsucht jedoch unverändert bleiben.

Das Meer in der Ferne, das traditionell als Symbol für Freiheit und Fernweh steht, könnte ebenfalls die tiefere Bedeutung des Gemäldes unterstreichen. Während die Frau auf das offene Wasser hinausblickt, scheint sie in einem Moment der Reflexion gefangen zu sein, zwischen der alten Welt, die ihre Kleidung repräsentiert, und der modernen, digitalen Welt, die durch das Smartphone symbolisiert wird. Dieser Moment des Nachdenkens versteht sich als eine Reflektion über den technologischen Fortschritt – eine stille Betrachtung darüber, was verloren und was gewonnen wurde.

Insgesamt thematisiert das Gemälde von Dirk Schmitt das Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne, und lädt den Betrachter dazu ein, über die Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf das persönliche und gesellschaftliche Leben nachzudenken. (Gérard Margaritis)

 

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Dirk Schmitt - Zeitensprung - Fernblick, Ölgemälde auf Leinwand, 120 x 80 cm, Unikat.
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