Benjamin Burkard über EINSTWEILEN und den STRABAG ArtAward

26.04.2025

Benjamin Burkard im Interview

Anlässlich seiner kommenden Einzelausstellung EINSTWEILEN und seines Gewinns des STRABAG ArtAwards laden wir zu einem besonderen Dialog mit dem surrealistischen Maler Benjamin Burkard ein. Im Interview - geführt mit seinem Galeristen Gérard Margaritis - spricht Burkard über seine künstlerische Entwicklung, seine Inspirationsquellen und den kreativen Prozess hinter seinen neuesten Arbeiten. Dabei geht es nicht nur um Techniken und Theorien, sondern auch um persönliche Einsichten und Erlebnisse, die seine Werke prägen. Als Künstler, der der 30works-Galerie seit vielen Jahren tief verbunden ist, gewährt Burkard einen offenen und eindrücklichen Blick in seine Welt zwischen Traum, Realität und Malerei.

Benjamin Burkard im Interview

Was bedeutet dir der STRABAG ArtAward – und wie hast du von der Auszeichnung erfahren?
Ich hatte mich vergangenes Jahr beworben. Strabag schreibt alle zwei Jahre einen renommierten und internationalen Preis aus. Dafür haben sich dieses Jahr 771 Bewerber gemeldet, 50 durften ihre Werke zur Sichtung einer hochkarätigen Jury vorzeigen. Und darauf wurden 5 Gewinner gewählt – dieses Jahr bin ich einer von diesen. Der Kunstpreis zeigt mir, dass ich weiterhin mit meiner malerischen Entwicklung auf dem richtigen Weg bin. Es ist ein Kompass, der mir ein sehr gutes Gefühl gibt, dass meine Malerei noch viel Potential birgt.

Deine neue Ausstellung heißt EINSTWEILEN. Was steckt hinter diesem Titel?
EINSTWEILEN ist nicht nur ein wohlklingendes, altes Wort, sondern birgt auch eine märchenhafte Poesie. Für mich ein Verweilen oder ein Wandeln durch eine vergangene Zeit. Da ich mich malerisch gerne der Beschreibung und der Analyse unserer heutigen Zeit widme und gerne die Gleichzeitigkeit von Zeiten und Wertvorstellungen irritiere, erscheint mir gerade so ein offener und poetischer Titel für einen Zugang zu meiner Präsentation angemessen. (Vernissage von EINSTWEILEN am 17. Mai 2025)

Du bist ein Maler des Surrealismus – wie definierst du Surrealismus heute, im Jahr 2025, für dich selbst?
Für Außenstehende mögen meine Bildwelten surreal erscheinen, wobei ich selbst das nie so sehe. Für mich sind die Arrangements und die Szenerien, die ich entwickle, stets natürlichen Ursprunges und einer in feinen Abwägungen und bewussten Entscheidungen gereift. Ich würde aber fast behaupten, dass der Einfluss von Social Media und des Internets unsere Wahrnehmung von Realität enorm verändert hat. Die Illusion von Wahrheit und Realität ist zunehmend von Algorithmen geprägt und wird bewusst verändert oder gar in Blasen gepackt. Surreal erscheint einem da schon etwas, was völlig außerhalb seiner eigenen Denkblase angezeigt wird.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Gibt es Rituale oder feste Abläufe im Atelier?
Mein Arbeitsalltag ist oft sehr unspektakulär, von außen gesehen, denn eigentlich stehe oder sitze ich oft stundenlang vor einer Malerei, die ich dezidiert verfeinere. Aber Bewegung und auch meine Kinder erden meine Gedanken enorm. Einen festen Rhythmus habe ich nicht. Aber jeder Tag ist anders.

Gibt es ein bestimmtes Bild in der Ausstellung, das dir besonders am Herzen liegt – und warum?
Ein ganz neues Bild „Schleierschläue“ mit einer überdimensionierten, weißen Eule inmitten einer Scheunenwelt ist mir besonders ans Herz gewachsen. An diesem male ich schon seit geraumer Zeit und das Bild fügt und erweitert sich immer mehr, Schritt für Schritt, Ebene um Ebene. Es verflechtet Geschichten rund um ein märchenhaftes Wesen, vereint spielerisches mit historischen Zitaten. Ich liebe diesen Prozess, wenn ein Bild ein Mosaik unterschiedlicher Geschichten wird.

Benjamin Burkard im Interview

Was siehst du zuerst, wenn du eine leere Leinwand betrachtest: ein Gefühl, eine Idee, ein Motiv?
Vorwiegend ist es ein Gefühl, was mich direkt zu einer Bildidee bringt. Das Motiv entwickelt sich oft dann aus dem Abstrakten heraus oder nimmt ganz neue Wendungen, wenn ich es male. Man stelle das wie ein Theaterstück vor, in welchem ich der Regisseur bin, aber mit der Aufführung noch nicht ganz zufrieden bin. Dann wird das Ende oder der Höhepunkt mal erweitert oder verändert. Irgendwann ist die ursprüngliche Geschichte, von der ich erzählen will ein Pfeiler, auf dem eine neue Geschichte erwachsen ist.

Wie beeinflussen Träume, Unterbewusstes oder persönliche Erfahrungen deine Bildwelten?
Ich würde gerne behaupten, dass Träume keine Rolle spielen, aber sie sind zumindest unterbewusst immer präsent. Persönliche Erfahrungen und auch Prägungen aus meiner eigenen oder fremder Vergangenheiten inspirieren mich und ich überlege mir sehr oft, wie ich wohl solch eine fremde Geschichte erzählen würde.

In deinen Arbeiten tauchen oft skurrile, traumartige Figuren und Szenen auf – woher kommen diese?
Diese entstehen oft intuitiv. Und gerne setze ich Dinge zueinander in Beziehung, die vorrangig kaum oder gar keinen offensichtlichen Bezug zueinander haben. Warum? Weil die Malerei verbindet. Die Malerei schafft Brücken und dabei ist es oftmals ganz egal woher diese Figuren kommen, sie fügen sich in der Malerei genau jenem Grundsatz, dass sie nun zusammen in diesem einen Bild koexistieren.

Du arbeitest seit vielen Jahren mit der 30works- Galerie zusammen – wie hat sich diese Beziehung über die Zeit entwickelt?
Es wurde eine immer persönlichere Beziehung zueinander, indem Vertrauen sehr gut gewachsen ist. Mittlerweile vertraut man sich gefühlt blind, man kann sich auf den anderen verlassen. Das finde ich gut und da fühle ich mich auch gut aufgehoben. Im Laufe der Zeit haben wir sogar nun Krisenzeiten wie die Coronazeit zusammen überstanden, das sind Dinge auf die man stolz sein kann!

Was macht für dich die Verbindung zur Galeristenfamilie Margaritis besonders?
Die Menschlichkeit, mit der beide einem Begegnen, macht das Ganze sehr besonders. Auch wenn man rund 300km voneinander entfernt ist, heißt das nicht, dass man sich nicht auch nahe stehen kann! Es verbindet uns mittlerweile schon eine geraume Zeit Lebensweg, die wir zusammen gegangen sind.

Wenn du deine Werke mit Musik vergleichen müsstest – welcher Stil wäre es?
Eine Mischung aus Jazz, Swing und Metal! Mir fällt da besonders die Band Diablo Swing Orchestra ein, die genau jene Elemente vereint.

Wie gehst du mit Erwartungshaltungen von außen um – etwa nach einem Preis wie dem STRABAG Award?
Meine Taktik ist: Nicht daran zu denken. Ich freue mich sehr über diese Ehrung und habe keine Zweifel daran, dass dieser Schritt in die Internationale auch meine Kunst ein Stück weiter bringen wird. Meine Oma sagt dazu oft gerne süffisant: „Da wird es wieder ein paar Neider geben. Aber Mitleid bekommt man gott sei dank geschenkt, Neid muss man sich erarbeiten“.

Benjamin Burkard im Interview

Welche Künstler*innen inspirieren dich aktuell – sei es aus der Kunstgeschichte oder der Gegenwart?
Ich bin tatsächlich Geschichtlich sehr stark bei den Impressionisten – gerne auch bei Turner, dessen Malereien mich sehr geprägt haben. Zeitgenössisch liebe ich SAINER oder Adrian Ghenie, beides Ausnahmetalente der zeitgenössischen und jungen Malerei.

Was wäre dein persönlicher Traum für die nächsten fünf Jahre – künstlerisch oder ganz privat?
Ich habe da einige kollosale Bildentwürfe im Kopf, die ich zu gerne umsetze würde: Dantes Inferno beispielsweise oder auch die Kombination mit Videospielen in der Malerei sind ein Thema, welche mich sehr reizen würden.

Wieso nutzt du den Pixel als Motiv in der Malerei?
Den Pixel habe ich als festes Bildelement 2022 in meine Malerei integriert. Ausgehend von meiner damaligen Examensarbeit „Mensch und Maschine in der Kunst“ war es mir immer ein Ansinnen eine Maschine zu malen, ohne eine Maschine zu malen. Mit dem Pixel schaffe ich es nun auf spielerische Art und Weise den allesdurchdringenden Algorithmus unserer Gesellschaft zu integrieren und so eine Art Zwischenwelt zu schaffen, die sich zwischen Simulation und Realität abspielt.

Welche Videospiel spielst du und welchen Bezug hat das zu deiner Kunst?
Ich bin ganz offen gesagt: Retrogamer. Ich spiele gerne Spiele, die in den frühen 90er Jahren Geschichte geschrieben haben. Eines der Hauptwerke dieser damaligen Welt ist zum Beispiel Terranigma – Ein Rollenspiel, in dem du selbst die Welt, wie wir sie kennen erschaffst und leitest. Ob dieses Sujet heute noch eine Rolle spielt? Ich glaube das erklärt sich damit von selbst, denn auch in der Malerei erschaffe ich meine eigene Welt und bin dessen Urheber und Schöpfer. Die Tatsache, dass diesem Prozess Kindheitserinnerungen zugrunde liegen, macht das für mich zu einem befriedigendem Gefühl.

Welches sind Sujets und Dinge, die dich gerade oder vielleicht auch zukünftig interessieren?
Die Ambivalenz von Realität in unserer heutigen Zeit ist etwas, was mich dann doch inspiriert und neugierig macht. Vor ganz kurzer Zeit bin ich da auf die klassische Kirmes gekommen – ein Ort, der wie aus der Zeit gefallen scheint. An dem besonders Kindern eine leuchtende, schillernd/bunte Welt gezeigt wird. Schaut man sich diese mit Erwachsenenaugen an, ist die Magie oft verflogen. So scheint es mir jedenfalls. Ich habe das Gefühl, dass sich in diese Richtung etwas tut – daher findet sich in der Ausstellung EINSTWEILEN nun sogar der erste gemalte Kirmesstand.

2019 hattest du bei der 30works Galerie dein "ComingOut" mit dem güldenen Material. Welchen Stellenwert hat dieses Material heute für dich?
Für meine Malerei ist es technisch gesehen eine grundlegende Entscheidung geworden, dass ich nicht auf einem leeren Weißton meine Malerei entwickle, sondern diese ganz bewusst auf goldenem, silbernen oder kupfernen Grundton entstehen lasse.
Dies sind alles metallische Nuancen aus der Vergangenheit, die ein goldenes Zeitalter suggerieren, die Reichtum simulieren – Wertigkeit. Und genau jenes irritiere ich mit meiner Malerei. Die Malerei ist das eigentlich Wertige, welches darüber liegt und dann zusammen ein Wechselspiel zwischen dem Vergangenem und dem Jetzigen darbietet. Die Gleichzeitigkeit von Geschichte ist maßgeblich für unsere Zeit und ich habe so einen Weg für mich gefunden, dem einen Ausdruck zu geben.

Welche Rolle spielt Humor in deiner Kunst? Darf man bei deinen Bildern auch lachen?
Selbstverständlich. Es wäre ein Hohn sondergleichen, alles in der Kunst ernst zu nehmen. Ein leichtes Lächeln sollte immer dabei sein – denn es ist gerade in der Kunst ein vieldeutiges Geschehen, welches ganz besonders von dem Augenmerk und der Geschichte des Betrachters selbst lebt.

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